Team
Fiction
Stefan Krüskemper
1
Berliner Wohnung. Hell,
leer, ruhig. Essen am einzigen Tisch. Klassikkonzert leise
vom Radio.
WEISS: Wenn ihr Hilfe benötigt,
sagt es mir. Ich arbeite in Cali mit einer Gruppe von Leuten
zusammen, die mir beim Performance-Festival helfen. Es sind junge
Männer, die euch begleiten können und etwas auf euch
achten. Gerade wenn ihr Video- oder Fotoaufnahmen auf der Straße
machen möchtet.
TÜRKIS: Ihr seid in guten Händen,
wenn ihr im lugar a dudas ankommt. Ihr seid aber auch schon dadurch
privilegiert, dass eine Kolumbianerin Teil eurer Gruppe ist.
Ihr kennt WEISS, der in Cali lebt und die Dynamik der Stadt sehr
gut kennt.
ROT: Ich habe gelesen, dass es für
Touristen nicht empfehlenswert ist, über Land zu fahren.
TÜRKIS: Seit wir einen neuen Präsidenten
haben, ist das kein Problem mehr.
PINK: Vor zehn Jahren war das vielleicht
ein Problem, aber heute nicht mehr.
TÜRKIS: Es ist kein Problem mehr,
weil es heute eine paramilitärische Politik gibt, wenn ihr
wisst, wie ich das meine. Das ist vielleicht nicht der beste
Weg, aber es hat dazu geführt, dass es heute viel sicherer
ist als vor fünf Jahren.
ROT: Die offizielle Webseite des deutschen
Außenministeriums stuft das Land immer noch als sehr gefährlich
ein. Sie warnen unter anderem vor Überlandfahrten, bzw.
raten zum Beispiel Touristen ganz von einem Besuch Kolumbiens
ab.
TÜRKIS: Haltet die Ratschläge
ein. Aber bedenkt, dass ihr Vorteile gegenüber normalen
Touristen habt. Ihr seid mit Kolumbianern unterwegs und kennt
Leute. Normale Touristen wissen nichts. Sie kommen mit einem «PLOPP!» aus
dem Nichts. Das nennen wir «Papaya geben».
PINK: Ja, es ist wie eine Einladung.
Deshalb empfehle ich, wenn Leute aus Europa kommen: nie alleine.
Nie.
WEISS: Gefährlich ist zum Beispiel,
wenn ihr jemanden auf der Straße trefft, der besonders
nett und freundlich ist, der so tut, als wäre er plötzlich
euer Freund. Bei diesen Dingen müsst ihr alarmiert sein.
PINK: Akzeptiert nichts von Fremden
auf der Straße. Wenn sie euch etwas zu trinken oder zu
essen geben. Niemals. Auch wenn alles ganz nett wirkt.
TÜRKIS: Es hört sich stressig
an und das ist es auch. Das ist einfach Fakt.
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Erschienen in: The Intricate
Journey, Hrsg. NGBK, Berlin 2007.
ISBN 3-938515-09-0
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2
En el calor de la tarde está ROJO sentado en la entrada
del centro de arte lugar a dudas. ROSADO sale por la puerta de
la casa.
ROSADO: Estás esperando, ¿los
otros aún no están listos?
ROJO: Les dije que ya estabas esperando
fuera. Pensé que serviría para algo.
…
Estoy haciendo una grabación de los sonidos. Es totalmente
interesante cuántos sonidos se pueden escuchar a la vez.
Es como si el aire tropical hiciera el sonido aún más
intenso. Omaira barriendo, las chicharras, las voces que salen
de la escuela; luego pasa uno con un carro de madera castañeteando.
ROSADO: ¿Quieres incluir los
ruidos en tu pieza?
ROJO: Sí.
Se oyen en el fondo los ruidos de Cali.
ROSADO: Es imposible ser puntual con
tanta gente. Creo que AZUL tiene otro sentido del tiempo. Ayer
ya estábamos todos esperando fuera, y AZUL seguía
sentado frente al computador. Me preguntó si le podría
ayudar a vaciar la caché. Yo le dije: «Hombre, todos
nos están esperando fuera», y entonces respondió: «O.k.,
ya voy». Pero siguió frente al computador, sin salir.
Como que él tiene una percepción completamente
diferente del tiempo.
ROJO: ¿Será que subimos
otra vez y vemos en qué andan?
ROSADO: Yo
voy.
3
Por la tarde en la terraza de lugar a dudas. Viendo lo que pasa
en la calle. Con cinco cervezas.
ROSADO: El comentario vino de MARRÓN,
ella dijo que había participado en cantidad de programas
de arte en los que siempre se incluye un viaje al punto más
lejano de la tierra, para que una produzca algo allí.
VERDE: A mí me parece bien, si
para ti son vacaciones. Yo tuve mis últimas vacaciones
de arte hace dos años. También fue muy agradable.
AZUL: Me imagino.
ROSADO: A mi me parece un desarrollo
muy interesante, ir a un sitio para desarrollar una obra, así como
lo hacemos nosotros aquí. También tiene que ver
con una especie de desarraigo interior. En todo caso, se produce
más fácil estando en otro lugar; es práctico
porque no tienes otras citas que estorben, ni todas las obligaciones
que normalmente te frenan, y entonces puedes simplemente trabajar.
Desconectado...
AZUL: ... tratar de meterse en un contexto
extraño. Una estadía así en el extranjero
también es un buen camino para probar qué tan sólido
es el suelo en que normalmente camino. De vez en cuando, abandonar
los rituales de trabajo que uno tiene en casa y revisarlos, eso
me parece importante.
VERDE: Claro, pero nosotros estamos
aquí en lugar a dudas en un contexto de arte muy protegido
y muy conocido para nosotros, que no plantea de por sí preguntas.
No lo quiero cuestionar tan pronto, poco después de nuestra
llegada, pero aquí ya me siento como en mi casa.
AZUL: Yo pienso lo mismo. Pero hacer
una instalación o una intervención en el espacio
público de Cali es algo totalmente diferente a hacerla
en Madrid o en Berlín. Aquí, en la calle, existe
un código distinto al de Madrid, muchas estrategias que
usaría allí no funcionarían acá.
Y las cuestiones que se asocian son bien interesantes para mí.
VERDE: Sí, estoy absolutamente
de acuerdo.
AZUL: Para
una obra de estudio seguramente no es muy relevante dónde
la haces. Pero si uno decide entrar en un determinado contexto,
pues entonces el contexto ya es relevante, porque puede cambiar
tu obra. Uno tiene que permitirlo.
4
BLAU: Die Situation war für
die kolumbianischen Künstler ja ähnlich, als sie
im Januar in Berlin waren. Auch weil es keine direkte Beziehung
zu einem Kunstinstitut gab, abgesehen von unseren Treffen in
der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst, der NGBK. So
waren sie die meiste Zeit auf sich gestellt, waren oft in der
gemieteten Wohnung, in der wir uns ja regelmäßig
zum Brunch trafen. Das ist eine ungewöhnliche Situation.
PINK: Mal unabhängig davon, wie
so etwas für gewöhnlich gehandhabt wird, hatten die
kolumbianischen Künstler in Berlin durch uns einen persönlichen
Bezug, oder? Ich fand jedenfalls, dass die Kommunikation wirklich
gut geklappt hat.
BLAU: Für mich ist dieses Persönliche
auch eine der großen Möglichkeiten für jeden
Teilnehmer innerhalb unseres Projektes, wie auch immer es sich
letztlich materialisiert hat oder noch entwickeln wird. Es steht
jedenfalls in einem Gegensatz zu dem Verfahren, dass ein Kurator
ein Konzept hat und daraufhin bestimmte Künstler einlädt.
Die dann kommen, ihre Arbeit machen und wieder gehen. Da finde
ich unsere Idee überzeugender, dass eine Gruppe von Künstlern
ein Projekt selbst macht, um Diskurs zu generieren und so wirkliche
Beziehungen zwischen den Künstlern entstehen. Das ist doch
viel wichtiger als die einzelnen Positionen der individuellen
Künstler. Ob jetzt unser Format die beste aller Möglichkeiten
ist, weiß ich nicht, aber in der Umsetzung mag ich es.
Vor allem, dass individualistische Künstler mit ihrer Arbeit
so in eine Gruppe eingebunden werden.
PINK: Der Zeitrahmen macht es etwas
schwierig, Formen der Kollaboration tiefer zu erkunden.
GRÜN: Na ja, aber wir diskutieren
und besprechen schon unsere Arbeiten und unsere Eindrücke.
Das würde ich mit einem Kurator nie in dieser Form tun.
Ich würde es ihm immer sehr viel später und ausgefeilter,
sozusagen wasserdicht, präsentieren. Wenn ich euch etwas
zeige, ist es mehr als Frage gemeint: Was ist möglich? Hiermit
oder an dieser Stelle bin ich unsicher. Was denkt ihr? – Es
ist eine Klärung.
ROT: Für ein Projekt wie unseres
wäre es wichtig, diesen Prozess überhaupt für
jemanden sichtbar zu machen. Das war ja eine meiner Fragen an
FX Baier: Wie wird ein neuer Raum, den sich eine Gruppe von Menschen
erschließt, eröffnet, wie wird er sichtbar? Lässt
sich der Schlüssel zeigen? Die Gefahr ist sonst, dass das,
was jetzt auf dem Tisch liegt oder später zum Abschluss
zu sehen sein wird, oft wieder so eine klare künstlerische,
individuelle, eben auch hermetische Position ist. Das Projekt
ist aber etwas anderes für uns gewesen. Es ist mehr als
die berühmte Summe der Einzelteile.
BLAU: Es zeigt sich darin, wie wir in
Berlin über die unterschiedlichen künstlerischen Beiträge
geredet haben. Ich glaube, dass diese Gespräche einen Einfluss
auf die Arbeiten, wie sie letztlich geworden sind, hatten. Das
ist ein wichtiger Punkt.
GRÜN: Für mich ist die Art
unserer Gespräche eine Erfahrung, die mich an Studienzeiten
erinnert ...
PINK: Ja, die
Kommentare, der Austausch, das Philosophieren. Alles ist mit
sehr viel mehr Freiheit, aber auch mit sehr viel mehr Verantwortung
verbunden.
5
An einem Tisch im Deutsch-Kolumbianischen Kulturinstitut. Man
blättert in Zeitungen und wartet. Die kolumbianische und
die deutsche Flagge stehen wie Personen im Raum.
ROT: Wie hieß sie noch gleich?
GRAU?
PINK: LILA.
ROT: Ah ja, LILA. Danke, PINK.
GRÜN: Ich vermute doch, dass sie
gleich kommt und uns nicht vergessen hat, wir waren ja verabredet
und sind angemeldet. Aber vielleicht ist das ja meine deutsche
Art zu denken.
ROT: Wir waren heute zumindest nicht überpünklich.
GRÜN: Das stimmt. Man sagt in Spanien:
Wer pünktlich kommt, ist unhöflich, weil er die Gastgeber
in Verlegenheit bringt. Das haben wir heute sicher nicht gemacht.
ROT: In dem Heiner-Müller-Stück «Der
Auftrag», über das wir zu Beginn unseres Projektes
so viel geredet haben, heißt es ja in der Passage mit dem
Fahrstuhl: «Fünf Minuten vor der Zeit ist die wahre
Pünktlichkeit». Weißt du, woher dieser Ausdruck
kommt?
GRÜN: Ich kenne das von meinem
Vater. Das war so ein Wehrmachtsausspruch.
ROT: Klar, das passt zur Arbeitsweise
des Collagierens bei Heiner Müller.
GRÜN:
Aus dieser militanten Perspektive ist dann natürlich die Überlegung,
dass Pünklichkeit unhöflich ist, subversiv ...
6
Café in Bogotá. Laut, unruhig. Eine Person redet
spanisch, zwei übersetzen gestikulierend einem vierten,
der schweigt.
PINK: Er hat gesagt, dass man heute
zunächst an die Droge und den Kampf dagegen denkt. Aber
Koka ist ein ganz altes Kulturprodukt. Sie ist seit wohl 5000
Jahren bekannt. Es gibt alte Steinfiguren in Kolumbien mit einer
Auswölbung an der Backe, die zeigt, dass sie gerade Koka
kauen. Das Kauen ist eine Tradition, die ganz eng verbunden ist
mit der indigenen Kultur. Als dann die Spanier kamen, haben die
diese Tradition, also die Kokadroge, als Verhandlungs- und Tauschmittel
ausgenutzt. Damit wurde sie kommerzialisiert.
ROT nickt. SILBER redet.
PINK: Koka ist ein Mittel der Initiation
bei den Nasa-Indianern, wie es ja so oder ähnlich in vielen
Religionen vorkommt. Koka hat eine sakrale Basis, was für
diese Indianer zum einen Kommunikation mit der Natur und zum
anderen den Weg zu einem höheren spirituellen Bewusstsein
bedeutet.
GRÜN: Was Du vorhin vergessen hast,
ROT zu sagen: Die Spanier haben im Prinzip dieses Geschäft
von den Inkas übernommen, die ja nur dadurch die Region
regieren konnten.
SILBER: Korrekt.
PINK: O.k., stimmt. Die Spanier bringen
aber auch die christliche Kirche mit, die die durch Koka erreichbaren
Geisteszustände gar nicht mag, weil die verhindern, dass
sie die neue, kirchliche Mystik vermitteln kann. Deshalb beginnen
sie damit, Koka zu verteufeln.
SILBER: «Verteufeln die Koka».
GRÜN: Sprichst du deutsch?
SILBER: Nein. «Verteufeln die
Koka».
PINK: Der Kampf gegen Koka war seitdem
immer derselbe, nur die Argumente haben gewechselt.
GRÜN: Vielleicht übersetzen wir einmal kurz, sonst
komme ich nicht mehr mit: In Europa wurden die Kokapflanze und
das Kokain seit dessen Auftauchen vor ca. 100 Jahren gleichgesetzt.
Auf einer internationalen Konferenz im Jahr 1961 wurde daraufhin
die Koka selbst als Droge eingestuft. Es wurde weiterhin festgelegt,
dass es 25 Jahre dauern soll, bis Koka vom Planeten verschwunden
ist.
PINK: Aber 1895 wurde ja dieses schmutzige
Getränk, das es nun überall zu kaufen gibt, erfunden.
Coca-Cola meint er. Er hat den Namen aber nicht ausgesprochen.
In der besagten Konvention von 1961 gab es nämlich noch
eine Bemerkung, eine Einschränkung: und zwar die, dass die
Nutzung der Pflanze für das schmutzige Getränk legal
sei.
Ich versuche mal zusammenzufassen, was
er sagte. Das ist jetzt viel. In einer späteren Konvention,
1988, haben sie Widersprüche bemerkt. Sie haben bemerkt,
dass auch Indianer eine Seele haben. Daraufhin wurde die Konvention überarbeitet
und die traditionelle Nutzung von Koka durch indigene Gruppen
unter Auflagen ermöglicht.
GRÜN: Außerdem gibt es die
Argumentation, dass Koka nicht nur indianisches Erbe ist, sondern
Erbe ganz Kolumbiens. Darauf beruhend, dass Koka von der gesamten
Bevölkerung konsumiert wurde. Koka ist in Kolumbien nicht
nur von den Indianern benutzt worden, sondern von allen Bevölkerungsteilen.
Er meint, meine Oma hat sicherlich bei Regelschmerzen oder bei
Zahnschmerzen einen Koka-Tee zubereitet und dann ging es ihr
besser. Auf diesem Wege haben sie erreicht, dass die verarbeitete
Koka verkauft werden kann, als Tee, als Salbe, als Sekt usw.
Zur Absicherung wurde später noch
informell das O.K. verschiedener Botschaften eingeholt, ob diese
Form der Nutzung in Ordnung gehen würde. Dieses O.K. ist
zwar da, selbst von der Botschaft der USA, aber es gibt keine
wirklich rechtlich verbindliche Freigabe, was den Verkauf betrifft.
PINK: Oh, wie soll ich das jetzt zusammenfassen.
Ich versuche es mal. Er hat gesagt, dass sie fünf Jahre
lang produzieren konnten, aber am 8. Februar diesen Jahres, genau
an dem Tag, an dem wir nach Kolumbien geflogen sind, wurde von
der Betriebsaufsichtbehörde des Gesundheitsministeriums
die Aufforderung verschickt, den Verkauf der Kokaprodukte zu
beenden. Mit der Begründung mangelnder Hygiene. Der Tee,
den wir gerade gekauft haben, wird bald nicht mehr verkauft.
GRÜN:
Er meint, dass hier doch irgendetwas nicht stimmt und vermutet,
dass es Druck auf einer anderen Ebene gegeben haben muss. Der
jetzige Vorwurf der Behörde war ja fünf Jahre lang
kein Hinderungsgrund. Sie hatten allerdings einen Rechtsstreit
mit dem Coca-Cola-Konzern, der ihnen die Verwendung des Begriffs
Koka untersagen wollte. Koka, ein Wort aus ihrer eigenen Kultur!
Vor kurzem unterlag Coca-Cola in diesem Rechtsstreit. Er erwähnt,
dass Kolumbien ein enger Verbündeter der USA ist.
7
Lugar a dudas, working table in the archive. The conversation
resembles physical movement in search for the most appropriate
position in space. Sound of chincharras in the background.
GREEN: My proposal: I imagine that my
performance could take place amidst our presentations… more
precisely after the first part of the project’s presentation,
in other words before the presentation of our previous work – directly
in the middle in order to create an obscure situation for the
audience.
BLUE: That is the best option so far
to fit the performances in. To use the singing as a break. Also,
your performance has a direct relation with the issue, but is
abstract enough not to appear illustrative. I almost think it
works like something in a comic.
GREEN: I could imagine placing RED’s
performance at the end, since a theatre performance seems to
be a general reflection about the process and the strategy of
speaking within the context of art. In my opinion the everyday
occurrence of events reveals how specific situations of work
come about. Perhaps this could open something and inspire a talk
with the audience. I am not entirely sure…
RED: I am suspecting that this theatre
performance should somehow take place before your singing. Also,
because your singing could be such a good transition to the rest
of the evening.
GREEN: This is not agreeable for me,
particularly, because I do not want my piece to turn into some
form of entertainment.
PINK: Absolutely, I can see that. This
quickly could be read as the announcement to party-time. It might
be better to place GREEN’s performance at the very beginning.
BLUE: So, you are referring to the moment
just before YELLOW and me will present our work and introduce
the second part with our previous works.
GREEN: If you will introduce the second
part at all at this moment. This has not been decided yet.
BLUE: We had committed ourselves to
this plan. The sequence of the program has already been set.
PINK: Oh dear, we have a problem.
GREEN: Yes, I know.
BLUE: Oh well, we can always tell people,
that we have changed the program.
GREEN: In spite of everything else.
Where do you think, RED, your performance fits in best?
RED: I’m not really sure at the
moment. I guess my piece would be rather dry in its impression
and effect. That is why I would consider it to be stronger if
your part was placed after mine. I cannot explain that any better
now. That’s my feeling for the dramaturgy, in the way one
structures something, one enhances or diminishes its value.
GREEN: Hmm.
Silence.
RED: I only can express it now in the way I feel it.
BLUE: Let’s start again from the
beginning. We feature two live acts and the Berlin songs of WHITE.
Why don’t we do it then this way: First the theoretical
part of our project, then follows what the Colombian artists
have done in Berlin, then about their stay, then GREEN’s
performance and then without any explanation the theatre performance,
after that the presentation of previous works and finally speaking
about the work in progress.
GREEN: You consider RED’s performance
following straight away mine?
BLUE: Yes.
PINK: I am not sure about trying to
explain these issues in a conversation, why should we?
BLUE: Because
this is also an act of exchange, this is what our project is
about.
GREEN: I suggest another idea. My piece could be disrupted at
any particular moment. I only have to say «Stop».
It should not be a concert anyway. What if I would start with
singing at the very beginning as people enter and find a place
to sit somewhere and they would not know, that this would belong
to the presentation already?
8
A pause in the conversation. Sound of chincharras, very loud.
PINK: Could you explain your point of
criticism a bit more precise?
RED: We very often deviate from the
topics we have intended to talk about. This is immensely tiresome.
At the moment there are burning issues that have to be dealt
with. Also, the idea to start the meeting with a flashlight instead
of a discussion was very well thought through. I consider it
too early to talk about emotions, which are still boiling. Therefore:
this discussion right now has nothing to do with the topics of
today and affects my mood in an absolute negative way.
PINK: We should write down all topics
in order to discuss them later.
RED: We mentioned at the beginning already
to talk about these topics at another point.
PINK: However, I still think that such
a conversation is not always avoidable. Sometimes topics turn
interesting in the heat of a conversation – for example,
I felt your tone of voice was quite sharp just now. Because you
said, that you are unwilling to discuss this topic with us any
longer. I find this didactic.
RED: I am going to disrupt the audio
recording again. This has nothing to do with our work.
Loud switching
off.
9
Warten auf GOLD im Vorraum an der Universidad del Valle in Cali,
integrale art. Vier Stühle für fünf Personen.
PINK: Ist euch während der Taxifahrt
aufgefallen, wie die Häuser kurz nach dem Zentrum aussahen?
Das ist schon heftig.
ROT: Zwischendurch waren die Häuser
total vergittert, wie Käfige, selbst die Balkone und die
Geschäfte hatten nur kleine Durchreichen.
GRÜN: Du meinst den Stadtteil hinter
der großen Brücke.
PINK: Ja, am Anfang, da wo das Taxi
abgebogen ist. Da waren die Häuser so ganz nah an der Straße.
Später war alles großzügiger und die Straßen
waren breite Alleen.
ROT: Aber gerade diese Neubauten an
den Alleen waren im ganzen Viertel abgesperrt. Das ist ein ganz
anderes Wohnkonzept als in den Straßen davor. Mit Pförtnern,
guten Wohnungen, etwas außerhalb.
PINK: Mein Bruder hat sich auch so ein
Reihenhaus in Kolumbien gekauft. Die haben auch vorne einen Pförtner
sitzen und sind zur Sicherheit komplett umzäunt. Genau das
wollte er aber auch, damit seine Kinder ungestört spielen
können.
ROT: Das, was man so gated community
nennt und als Europäer ja schon kritisch sieht, da es die
so wichtigen halböffentlichen Bereiche einer Stadt stark
verändert. Mir ist natürlich klar, dass es hier eine
ganz andere Bedeutung hat.
PINK: Hier ist es existentiell.
GRÜN: Bei mir in Berlin am Prenzlauer
Berg entsteht gerade die erste. Was ich vollkommen absurd finde,
weil das ja wirklich eine der sichersten Gegenden in Berlin ist.
Und im Prinzip auch eine der reichsten.
ROT: Dort, wo ich wohne, ist der vordere
Hofzugang mit einer Tür mit Sprechanlage verschlossen, aber
der hintere, öffentliche Hof ist mit Videokameras überwacht
und ein Sicherheitsdienst geht herum und spricht jeden an, den
er nicht kennt. Es sind solche Mischformen, die es viel in Berlin
gibt.
BLAU: Passiert denn so viel in Berlin,
dass diese Maßnahmen überhaupt notwendig sind?
GRÜN: Ich glaube nicht. Es ist
eben für reiche Leute, zumindest die gated community am
Prenzlauer Berg. Es sind 40 Reihenhäuser, umzäunt mit
einem zentralen Tor vorne. So eine Art townhouses sind das, wo
man mehrere Etagen übereinander hat. Jedenfalls gibt es
in Berlin dieses kolumbianische Konzept eines eigentlich offenen
Hauses, mit Balkons und Garten zur Straße hin, das dann
mit Gittern verschlossen wird, nicht.
ROSA die Sekretärin kommt herein.
ROSA: Entschuldigung
bitte, GOLD wird sich eine halbe Stunde verspäten. Es
tut ihm sehr leid und er bittet uns, eine halbe Stunde zu warten.
Es gibt hier eine Cafeteria.
10
Ruhiger Innenhof im lugar a dudas. Unter Palmen. Alle sind geschafft.
PINK: Ich fühle mich total vergiftet.
ROT: Es war vielleicht nicht die beste
Idee, an der stark befahrenen Hauptstraße einen Kaffee
Tinto zu trinken und auf die Öffnung des Museums zu warten.
BLAU: Alle anderen saßen drinnen
im Kühlen. Draußen war es in der Mittagshitze total
heiß. Man kann komfortabler warten.
GRÜN: Irgendwie habe ich das Gefühl,
dass das eine generelle lateinamerikanische Erfahrung ist. Ich
kann mir vorstellen, dass viele Leute hier genauso empfinden
wie wir. Sie sitzen irgendwo, warten auf etwas, sie wissen nicht,
auf was sie warten, irgendetwas ist vielleicht noch nicht geöffnet,
irgendetwas sollte eigentlich schon passiert sein oder – was
weiß ich – wir müssten jetzt eigentlich von
hier nach dort gehen. O.k., und dann gehen wir eben.
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